© Ernst T. Mader
Politik und Medien vermitteln den Eindruck, als sei die
Debatte um den Klimawandel eine bestaunenswerte Leistung der heutigen
Wissenschaft und Politik, während frühere Generationen dieses
Menschheitsproblem gänzlich ignorierten. Ein Artikel im Allgäuer vom 22. Juni 1963 zeigt ein anderes Bild; er fragt:
„Beeinflusst Kohlendioxyd unser Klima?“ und fasst einen Beitrag von Hans-Georg
Matthäus zusammen, den dieser für die Beilage zur Wetterkarte des Instituts für
Meteorologie und Geophysik der Freien Universität Berlin verfasst hatte. Darin
heißt es unter anderem:
„Es sind jetzt gerade 100 Jahre vergangen, dass man einen
Einfluss des in der Luft befindlichen Kohlendoxyds auf das Klima vermutete. Als
eigentlicher Begründer der Theorie der Klimaänderungen durch Kohlendioxyd muss
jedoch G. S. [Guy Stewart] Callendar angesehen werden, der im Jahre 1938 eine
grundlegende Arbeit veröffentlichte, in welcher er die Möglichkeit [!]
diskutiert, dass der Kohlendioxyd-Gehalt der Luft durch die Wirkung industrieller
Verbrennungsprozesse ständig zunimmt, was eine Verstärkung der
,Treibhauswirkung‘ der Atmosphäre und somit eine allmähliche Erhöhung der
Mitteltemperatur der Erde zur Folge hätte.
Ein anderer Wissenschaftler, G. N. [Gilbert Norman] Plass,
gelangte nach umfangreichen Berechnungen zu der Schlussfolgerung, dass die
Erdmitteltemperatur unter Berücksichtigung einer mittleren Wolkenverteilung um
2,5 Grad C ansteigt bzw. sinkt, je nachdem die gegenwärtige
Kohlendioxyd-Konzentration der Atmosphäre verdoppelt oder halbiert wird. Eine
so verursachte Abnahme der Mitteltemperatur bedeutet einen erheblichen Einfluss
auf das Klima, denn aus einem Abfall der Erdmitteltemperatur um 3 bis 4 Grad C
könnte schon eine neue Eiszeit entstehen. Bei dieser Theorie geht man davon
aus, dass der Kohlendioxyd-Gehalt der Atmosphäre in geologischer Vorzeit stark
variiert haben muss, was einmal auf den Kohlendioxyd-Verlust durch Bildung
neuer Kohlenlager zurückzuführen ist,
zum anderen auf eine Zunahme
der atmosphärischen Kohlendioxyd-Konzentration durch Prozesse wie
Eruptionen heißer Quellen und Vulkanausbrüche. Die verschiedenen Änderungen des
Kohlendioxyd-Gehalts der Luft müssten demnach verschiedene Epochen von
Klimaschwankungen verursacht haben. Tatsächlich hat es ja auch mehrere
Eiszeiten gegeben.
Durch industrielle Verbrennungsprozesse werden ungeheure
Mengen von Kohlendioxyd in die Atmosphäre transportiert. Die gegenwärtigen
Brennstoffvorräte der Erde werden in weniger als 1000 Jahren verbraucht sein.
[1972 nannte der Club of Rome einen
Zeitraum von nurmehr gut 100 Jahren.]
Ihre industrielle Verbrennung wird einen Kohlendioxyd-Betrag in die
Atmosphäre befördern, der siebzehnmal größer als die gegenwärtig in der
Atmosphäre enthaltenen Menge ist.
Da bei einem dauernden Steigen des atmosphärischen Kohlendioxyd-Gehalts
von solch großem Ausmaß das Kohlendioxyd-Gleichgewicht nicht mehr
aufrechterhalten werden kann, wird daraus ein ständiger Temperaturanstieg
resultieren. Man schätzt, dass die industrielle Tätigkeit des Menschen die
Mitteltemperatur der Erde um 1,1 Grad C je Jahrhundert erhöht. Betrachtet man
den Kohlendioxyd-Gehalt der Luft während großer Zeiträume, kann man die
Feststellung ableiten, dass der Mensch durch seine industrielle Tätigkeit ein
umfangreiches geophysikalisches Experiment durchführt; innerhalb weniger
Jahrhunderte wird der Atmosphäre der Kohlenstoff wieder zurückgeführt, der in
einigen 100 Millionen von Jahren durch Bildung von Kohlenlagerstätten aus der
Atmosphäre entnommen wurde.
Allerdings sind das nur mehr oder weniger Theorien, die
keinesfalls von der gesamten Wissenschaft unterstützt werden. Aber die Frage,
ob Kohlendioxyd unser Klima beeinflusst, ist doch so interessant, dass man sich
ruhig einmal Gedanken darüber machen sollte.“
Eine Woche später erschien derselbe Artikel noch einmal –
offenbar maß die Redaktion des Allgäuer
dem Thema vor 50 Jahren enorme Bedeutung bei, das ansonsten nur einen winzigen
Kreis von Wissenschaftlern beschäftigte. Am noch lange andauernden Desinteresse
von Politik und Öffentlichkeit an der Problematik änderte das allerdings
nichts. #
Der Beitrag erschien am 12. Dezember 2013 in der Allgäuer Zeitung.
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