Dienstag, 30. Dezember 2014

Klimawandel als Thema 1963


© Ernst T. Mader

Politik und Medien vermitteln den Eindruck, als sei die Debatte um den Klimawandel eine bestaunenswerte Leistung der heutigen Wissenschaft und Politik, während frühere Generationen dieses Menschheitsproblem gänzlich ignorierten. Ein Artikel im Allgäuer vom 22. Juni 1963 zeigt ein anderes Bild; er fragt: „Beeinflusst Kohlendioxyd unser Klima?“ und fasst einen Beitrag von Hans-Georg Matthäus zusammen, den dieser für die Beilage zur Wetterkarte des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Freien Universität Berlin verfasst hatte. Darin heißt es unter anderem:
„Es sind jetzt gerade 100 Jahre vergangen, dass man einen Einfluss des in der Luft befindlichen Kohlendoxyds auf das Klima vermutete. Als eigentlicher Begründer der Theorie der Klimaänderungen durch Kohlendioxyd muss jedoch G. S. [Guy Stewart] Callendar angesehen werden, der im Jahre 1938 eine grundlegende Arbeit veröffentlichte, in welcher er die Möglichkeit [!] diskutiert, dass der Kohlendioxyd-Gehalt der Luft durch die Wirkung industrieller Verbrennungsprozesse ständig zunimmt, was eine Verstärkung der ,Treibhauswirkung‘ der Atmosphäre und somit eine allmähliche Erhöhung der Mitteltemperatur der Erde zur Folge hätte.
Ein anderer Wissenschaftler, G. N. [Gilbert Norman] Plass, gelangte nach umfangreichen Berechnungen zu der Schlussfolgerung, dass die Erdmitteltemperatur unter Berücksichtigung einer mittleren Wolkenverteilung um 2,5 Grad C ansteigt bzw. sinkt, je nachdem die gegenwärtige Kohlendioxyd-Konzentration der Atmosphäre verdoppelt oder halbiert wird. Eine so verursachte Abnahme der Mitteltemperatur bedeutet einen erheblichen Einfluss auf das Klima, denn aus einem Abfall der Erdmitteltemperatur um 3 bis 4 Grad C könnte schon eine neue Eiszeit entstehen. Bei dieser Theorie geht man davon aus, dass der Kohlendioxyd-Gehalt der Atmosphäre in geologischer Vorzeit stark variiert haben muss, was einmal auf den Kohlendioxyd-Verlust durch Bildung neuer Kohlenlager zurückzuführen ist,  zum anderen auf eine Zunahme  der atmosphärischen Kohlendioxyd-Konzentration durch Prozesse wie Eruptionen heißer Quellen und Vulkanausbrüche. Die verschiedenen Änderungen des Kohlendioxyd-Gehalts der Luft müssten demnach verschiedene Epochen von Klimaschwankungen verursacht haben. Tatsächlich hat es ja auch mehrere Eiszeiten gegeben.
Durch industrielle Verbrennungsprozesse werden ungeheure Mengen von Kohlendioxyd in die Atmosphäre transportiert. Die gegenwärtigen Brennstoffvorräte der Erde werden in weniger als 1000 Jahren verbraucht sein. [1972 nannte der Club of Rome einen Zeitraum von nurmehr gut 100 Jahren.]  Ihre industrielle Verbrennung wird einen Kohlendioxyd-Betrag in die Atmosphäre befördern, der siebzehnmal größer als die gegenwärtig in der Atmosphäre enthaltenen Menge ist.  Da bei einem dauernden Steigen des atmosphärischen Kohlendioxyd-Gehalts von solch großem Ausmaß das Kohlendioxyd-Gleichgewicht nicht mehr aufrechterhalten werden kann, wird daraus ein ständiger Temperaturanstieg resultieren. Man schätzt, dass die industrielle Tätigkeit des Menschen die Mitteltemperatur der Erde um 1,1 Grad C je Jahrhundert erhöht. Betrachtet man den Kohlendioxyd-Gehalt der Luft während großer Zeiträume, kann man die Feststellung ableiten, dass der Mensch durch seine industrielle Tätigkeit ein umfangreiches geophysikalisches Experiment durchführt; innerhalb weniger Jahrhunderte wird der Atmosphäre der Kohlenstoff wieder zurückgeführt, der in einigen 100 Millionen von Jahren durch Bildung von Kohlenlagerstätten aus der Atmosphäre entnommen wurde.
Allerdings sind das nur mehr oder weniger Theorien, die keinesfalls von der gesamten Wissenschaft unterstützt werden. Aber die Frage, ob Kohlendioxyd unser Klima beeinflusst, ist doch so interessant, dass man sich ruhig einmal Gedanken darüber machen sollte.“

Eine Woche später erschien derselbe Artikel noch einmal – offenbar maß die Redaktion des Allgäuer dem Thema vor 50 Jahren enorme Bedeutung bei, das ansonsten nur einen winzigen Kreis von Wissenschaftlern beschäftigte. Am noch lange andauernden Desinteresse von Politik und Öffentlichkeit an der Problematik änderte das allerdings nichts. #

Der Beitrag erschien am 12. Dezember 2013  in der Allgäuer Zeitung.

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