Montag, 17. September 2018

Katherine Mansfield

 
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Weltliteratur aus Bad Wörishofen

Sie gilt als Ikone modernen Schreibens, und Virginia Woolf bekannte, nur auf die Literatur der Katherine Mansfield (1888-1923) sei sie je eifersüchtig gewesen. 1980 tauchten Studenten aus Mansfields Geburtsland Neuseeland in Bad Wörishofen auf, um den Ort zu sehen, der die Autorin geprägt und in dem die später Weltberühmte Geschichten für ihr erstes Buch geschrieben hatte – einen Hinweis darauf fanden sie im Kneipp-Kurort allerdings nicht. 

Die literarischen Pilger erklärten, was sie nach Schwaben führte: Kathleen Mansfield  Beauchamp (Geburtsname) ging 1908 nach London, war dort bald vom Sohn ihres Cello-Lehrers schwanger, heiratete jedoch den Gesangslehrer George Bowden, den sie laut Mansfield-Forscher Heiko Arntz noch in der Hochzeitsnacht verließ. Daraufhin reiste die immer gut informierte Mutter an und wusste auch schon, wo die Deutsch Sprechende, im fünften Monat Schwangere gesund, angenehm, aber unbemerkt von den englischen Bekannten leben und schließlich entbinden sollte: in Wörishofen, der damals mehr als heute international geprägten, aber ruhigeren, weniger mondänen Alternative zu Baden-Baden oder Marienbad. Und so schrieb sich im Mai 1909 „Käthe Beauchamp-Bowden, Schriftstellerin“ ins Gästebuch des Hotels Kreuzer im schwäbischen Kurort, der unter anderem mit der „Freiheit von jedem Modezwang“ warb.
Nach wenigen Tagen zieht sie um in die „Villa Pension Müller“. Ende Mai verliert sie ihr Kind durch eine Fehlgeburt. Bis zu ihrer Rückkehr nach England Ende Dezember 1909 formt sie aus der eigenen Situation und dem Nachdenken über sich, aus ihren Beobachtungen von Einheimischen und Kurgästen, Milieu und Landschaft ein deutsches Bild voller Trauer und humorvoller Bosheiten, das mittlerweile zur Weltliteratur zählt. Wer die Region kennt, liest noch immer Vertrautes: Wörishofen taucht als dem benachbarten Mindelau nachempfundenes „Mindelbau“ auf, das nahegelegene Dorschhausen kommt vor, das Café Luitpold und das ein paar Kilometer entfernte Schlingen, in dessen Wirtshäuser Kennern zufolge Kurgäste gingen, die der strengen Diät entkommen wollten – was dem Ortsnamen eine sehr wörtliche Bedeutung gibt. Kurz vor ihrer Abreise wohnt Mansfield noch eine Weile beim Postbeamten Johann Brechenmacher, den sie dann mit Namen, Beruf und Frau in ihren literarischen Kosmos aufnimmt.

Am 24. Februar 1910 veröffentlicht die Londoner Wochenzeitung „The New Age“ die erste der in Wörishofen geschriebenen Kurzgeschichten: „Das Kind-das-müde-war“ – deutlich an Tschechow orientiert, dessen Werk sie im Kneipp-Ort durch ihren dortigen polnischen Liebhaber kennengelernt hatte. 1911 wird aus diesen frühen Geschichten der Katherine Mansfield, wie sie sich als Autorin nennt, ihr erstes Buch („In a German Pension“); auf Deutsch liegen sie seit 1980 vor.   
Die Villa Pension Müller 1909, als Katherine Mansfield dort wohnte.


Die „Villa Pension Müller“ fanden die neuseeländischen Studenten 1980 nicht mehr; sie hatte schon lange dem „Allgäuer Hof“ Platz gemacht. Doch enthüllten dort 1988 zum 100. Geburtstag der Autorin Neuseelands Botschafter in Deutschland, Bad Wörishofens Bürgermeister und der Hotelier eine Gedenktafel. 2007 wurde der „Allgäuer Hof“ abgerissen, die Gedenktafel lagert seither im örtlichen Bauhof. Bald soll es in der Kneipp-Stadt wieder eine öffentliche Erinnerung an Katherine Mansfield geben. #

Der Beitrag erschien am 24. Februar 2010 in der Augsburger Allgemeinen - 100 Jahre nach der Veröffentlichung der ersten bedeutenden Geschichte von Katherine Mansfield, geschrieben in der Kurstadt.

PS 2018: Seit ihrem 130. Geburtstag am 14. Oktober 2018 steht eine Katherine Mansfield-Statue im Kurpark von Bad Wörishofen, enthüllt in Anwesenheit des neuseeländischen Botschafters in Deutschland,  S. E. Rupert Thomas Holborow.

Bildnachweis:
Katherine Mansfield: google/Bilder (famouspoetsandpoems.com/pictures/katherine_mansfield.jpg)
Villa Pension Müller: Ohne Quellenangabe abgedruckt in: Katherine Mansfield: In einer deutschen Pension, Frankfurt a. M. (Zweitausendeins) 2006, S. 178. Repro: Mader