Dienstag, 30. Dezember 2014

Ein Augenzeuge des Attentats von Sarajewo


Ein Augenzeuge des Attentates von Sarajewo 1914 lebte nach 1945 in Kaufbeuren
© Ernst T. Mader

Ein Augenzeuge des Attentats von Sarajewo 1914 auf das österreichische Thronfolgerpaar Franz Ferdinand und seine Frau Sophie lebte nach 1945 in Kaufbeuren: Anton Pasler kam 1910 aus seiner sudetendeutschen Heimat als Beamter der österreichisch-ungarischen Militärpost nach Sarajewo. Am 28. Juni 1914 stand der Dreißigjährige vor dem Militärpostamt, einem eingeplanten Halt der erzherzoglichen Kolonne. Der Präsident der Militärpost, berichtet Pasler später einem Reporter des „Allgäuer“, begrüßte das Paar und überreichte ihm ein Telegramm der erzherzoglichen Kinder. Die Wagen fuhren weiter. Dann, so Pasler, erreichte ihn aus dem dritten Stock des Postamts die Meldung, eine Bombe sei auf das Habsburger-Auto geworfen worden. Er lief zur allgemein bekannten Fahrtroute, die der Chauffeur des Thronfolgers trotz des Attentatsversuchs irrtümlich beibehielt und auf der die Kolonne – nach einem kurzen Empfang im Rathaus - bald vorbeikam. Offensichtlich war der hohe Besuch unverletzt (dass die Bombe andere zum Teil schwer verwundet hatte, wusste Pasler zu diesem Zeitpunkt nicht). Pasler sieht, wie das Auto mit dem Thronfolgerpaar kurz hält: „Ich stand etwa vierzig Meter davon entfernt und sah selbst, wie der Attentäter Princip vom Gehsteig neben dem Auto aus seine zwei Schüsse abgab. Er traf den Erzherzog in die Halsschlagader und die Erzherzogin in die rechte Seite des Leibes. Als der Wagen schon auf die Brücke (Lateinerbrücke) einfuhr, sank der Kopf des Erzherzogs nach hinten, der Generalshut fiel in den Wagen.“ Vom Chauffeur will Anton Pasler später die letzten Worte Franz Ferdinands erfahren haben. Sie galten seiner Frau: „Du musst für unsere Kinder weiterleben.“ Minuten danach war das Paar tot.
Kurz darauf, so Pasler, habe ein Unbekannter bei einem Kollegen ein Telegramm an einen serbischen Major in Belgrad aufgegeben: „Beide Pferde gut verkauft.“ Das Telegramm ist verbürgt.
Tags darauf seien serbische Geschäfte in Sarajewo, wo nach der Erinnerung des ungebrochen habsburgtreuen Pensionisten viele Völker bis dahin „ausgezeichnet“ zusammengelebt hatten, „der Volkswut preisgegeben worden“.
Anton Pasler blieb noch bis 1921 als Postbeamter in Sarajewo, seit 1918 Teil des Königreiches Jugoslawien. Dann ging er in das nun tschechische Sudetenland zurück. Nach dem zweiten Weltkrieg lebte er bei Schwiegersohn und Tochter in Kaufbeuren.
PS: Von 1918 bis 1995 war die vormalige und heutige Lateinerbrücke in Sarajewo nach dem Attentäter Gavrilo Princip benannt, der am 28. April 1918 als Häftling in Theresienstadt (Tschechien, 1941 bis 1945 Ghetto und KZ) starb.
Auf dieser alten Ansicht von Sarajewo markierte Anton Pasler vor 50 Jahren einige beim Attentat von 1914 wichtige Stellen; Pfeil 2 (über der damaligen Lateinerbrücke) zeigt auf die Straße, in der das österreichische Thronfolgerpaar erschossen wurde. Die Tat sollte Bosnien-Herzegowina von der österreichisch-ungarischen Besatzung befreien.
Repro: Mader



Der Beitrag erschien am 30. Juni 2014 in der Allgäuer Zeitung.

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