Wer gern trinkt, findet immer was zum Schlucken. Und wer gern jammert, immer einen Schmerz. Zur Not sind dann halt Suppen ohne Haar eine Enttäuschung. Und damit ein Grund zum Jammern. Wie für andere die jeweils neuesten Medien, derzeit also Netze wie TwiX oder Tiktok. Sie machten depressiv, süchtig und dick. Oder dünn. Die so Klagenden beklatschen auch bei uns ein australisches Gesetz vom letzten Dezember, das nur über 15-Jährigen erlaubt, solche digitalen Mitmach-Kanäle zu nutzen. Manche kämpfen halt gern gegen Windmühlen. Auch gegen mediale.
Diese Kämpfe haben Tradition. Und sie begannen, zumindest im Abendland, nicht umsonst mit einem elitären Anti-Demokraten. Der Grieche Platon jammerte vor etwa 2400 Jahren über das damals neueste Medium, die Schrift. Unter anderem so: Wenn die Leute alles aufschreiben können, wollen sie sich nichts mehr merken, und ihr Gedächtnis schrumpft und schwindet. Außer bei ihm selbst, Platon, natürlich.
Es half nichts. Die Schrift blieb in der Welt, und so jammerten deutsche Gelehrte im 18. Jahrhundert über eine weitere Revolution: die Verbreitung von Geschriebenem durch immer bessere Drucktechniken und die wachsende Lust im Land, das Zeug zu lesen. In dieser „Lesewuth“ sah der Theologe und Historiker J. G. Hoche „ein wirklich großes Übel, das so ansteckend ist wie das gelbe Fieber in Philadelphia; sie ist die Quelle des sittlichen Verderbens für Kinder und Kindes Kinder.“
Als irgendwann fast alle lesende Kinder lobten, wollten die statt über Büchern schon lieber vor dem neuen Fernseher sitzen und mussten sich nun anhören, dass das dumm und gewalttätig mache. Und kaum hatten sich Pädagogen und Feuilletonisten mit den drei TV-Programmen halbwegs ausgesöhnt, kam es noch schlimmer: 1979 sah der Spiegel „Das Zeitalter der Videotie“ hereinbrechen, weil in Deutschland 450 Filme auf käuflichen Videokassetten kursierten, jederzeit daheim abspielbar bis zur Verblödung. 1983 warnte die Süddeutsche Zeitung vor dem kommenden Privatfernsehen mit der Drohung: „Vor uns die Vidiotie“. Statt ihrer kam die Künstliche Intelligenz.
Das Urmedium Schrift aber hat seine Tücken behalten. Ein Lehrer musste einem Schüler im Allgäu einmal bescheinigen: „Die zunehmende Lesbarkeit seiner Schrift enthüllt seine völlige Unfähigkeit in der Rechtschreibung.“ Ein Jammer.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen